Freitag, der 05.05.2023
Der letzte Tag. Wir haben einiges schon gesehen. Wollen heute einen Ruhetag einlegen. Das hält bis um 12.30 Uhr. Wir springen auf die Fahrräder und fahren zum Åbergs Museum. Ein Museum über die Geschichte der Comics und Zeichentrickfilme. Walt Disney nimmt einen großen Teil der Sammlung ein. Es bekommen aber auch solch große Zeichner wie Will Eisner, Hergé oder Don Martin ihren Platz. Eine sehr kurzweilige Ausstellung. Lasse Åberg, der die Sammlung zusammengetragen hat, ist selbst Komiker, Schauspieler und Garfikkünstler. Seine große Zeit scheint aber eher in den 70/80ern zu liegen. Zufällig steht er auch selbst hinter dem Tresen, was allerdings daran liegen kann, dass gerade eine sehr große Geburtstagsgesellschaft in dem angeschlossenen Restaurant feiert und nun den Weg in die Ausstellung sucht. Er darf Autogramme geben. Das fröhliche Rollatorentreffen verschiebt sich langsam vom Bistro in den Souvenirshop. Es wird langsam eng. Wir gehen lieber. Schnell noch einmal zum Supermarkt und das Leergut wegbringen. Den Abend verbringen wieder am Wasser an unserer Feuerstelle. Noch einmal Würstchen über dem offenen Feuer braten. Der Abend ist dann auch kurz, wir wollen am nächsten Morgen ja früh aufstehen. Der Weg nach Hause ruft.
Donnerstag, der 04.05.2023
Uppsala. Die schwedische Uni-Hochburg. Man merkt es sofort. Das Publikum ist deutlich jünger als in Stockholm und vor allem Vaxholm. Die Stadt pulsiert. Alles ist in Bewegung, die Geschäfte wirken jung, in den Cafés sitzen die Studenten mit Laptop beim Latte. Es riecht nach Kuchen, Kaffee und Frühling; wir riechen nach Lagerfeuer. Wir sind Touristen, wir dürfen das. Die Stadt gefällt mir. Hier fühle ich mich wohl und finde sogar wieder einen Plattenladen. Ich sollte noch einmal studieren. Die Stadt ist größer als erwartet. Selbst der Bahnhof sagt mir mehr zu als alle Bahnhöfe in Hamburg zusammen. Alles schick, luftig und irgendwie sauber. Das war mir auch schon in Stockholm aufgefallen. Der Bahnhof war noch schöner. Alles hell und freundlich und irgendwie aufgeräumt. Ein Ort, wo man gerne hingeht und anderen beim Leben zusieht. Am besten mit einem Kaffee in der Hand auf einer der Bänke in der großen Kuppelhalle. Fernweh, was sich sonst eher auf einem Flughafen einstellt, macht sich breit. Es muss ein Schock sein für Schweden, wenn sie mit der neuen Direktverbindung der Bahn von Stockholm nach Hamburg kommen und als ersten Eindruck der Stadt den Altonaer Bahnhof erleben. Erschaffen aus dunklen, grauen Träumen voller Tristesse, erbaut auf einem Fundament der Lieblosigkeit. Am Nachmittag noch eine spontane Radtour unternommen. Fernab der großen Straßen. Viele Hügel. Mir brennen die Beine. Aber großartig. Noch immer kein Elch. Langsam werde ich böse. Gut das wir noch einkaufen waren. Das Sortiment von Marabou ist hier viel umfangreicher als bei uns. Kekse mit den unterschiedlichsten Schokoladen, die Schokoladentafeln in ebenso zahlreichen Geschmacksrichtungen und noch vieles mehr. Das tröstet. Noch ein Grund mehr, hier zu bleiben. Leider schwindet die Urlaubskasse. Der Beutel mit Marabouschokoladen und Keksen wird immer voller und nimmt immer mehr Platz im Kofferraum ein. Es ist ein großer Beutel. Aber was soll´s, wenn es das Alles nicht bei uns gibt, dann muss man eben Alles einpacken und mitnehmen.
Mittwoch, den 03.05.2023
Ich gebe ja nicht auf. Heute will ich es wissen. Ein Flyer verspricht Idylle pur in den Schären vor Stockholm und Vaxholm soll das Zentrum der Schönheit sein. Zumindest fahren von Stockholm zahlreiche Ausflugsdampfer extra bis hierher. Da wir nicht erst nach Stockholm wollen, um dann auf einen der Dampfer zu steigen, fahren wir einfach mit dem Auto hin. Schon die Anfahrt hat nichts Schönes. Autobahnen, breite Landstraßen, viel Unrat an den Seitenstreifen. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass es hier mehr ist als an norddeutschen Autobahnen.
Rentner mit Rollatoren. Schilder über Schilder. Kann die Burg nicht fotografieren aufgrund der Schilder. Nach einer Stunde ziehen wir ab. Kann den Hype nicht verstehen. Mein Schönheitsideal entspricht einem anderen Bild. Trotz toller Stadt mit verwinkelten Gassen. Man kann sich ein wenig das Astrid Lindgren Leben hier vorstellen. Ein Spaziergang am Abend brachte komischerweise ein wenig Schwedengefühl in diesen ganzen Urlaub. Er führte uns am Wasser entlang unterhalb unserer kleinen Siedlung. Eine spontane Äußerung meinerseits, dass ich angesichts des plötzlich guten Wetters Lust hätte zu grillen, brachte meinen Sohn auf den Plan. Als er vorhin schwimmen im See war (wir haben 9 Grad Lufttemperatur) hat er eine fantastische Feuerstelle entdeckt. Grillwürstchen, Wein und Bier eingepackt. Es war eine wirklich muckelige Stelle. Nahezu ungestört. Hier kam ich Schweden näher. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Natur in den wenigen Tagen einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht hat. Der See wirkte nicht mehr abweisend. Das Fahle und Matte ist gewichen, die Wärme kommt langsam in die Farben. Die nordische Thrillerästhetik weicht. Ich bin endlich in Schweden angekommen. Jetzt riechen wir wirklich nicht mehr nach gebrannten Sonnenblumenkernen, der Rauch des Lagerfeuers hat alles geklärt.
Dienstag, der 02.05.2023
Der Regen hat sich langsam verzogen. Nicht, dass jetzt die Sonne scheinen würde, nein, wir pflegen noch immer Temperaturen zwischen 6 und 9 Grad und es ist meistens bedeckt mit kleineren Sonnenlöchern. Also eigentlich ganz schön. Könnte ja schlimmer sein. Neue Fahrradtour. Ich brauche neue Wege. Wege die nicht an viel befahrenen Hauptstraßen entlangführen. Ferner vermisse ich noch immer das mir bekannte Schweden. Bisher hatte ich den Eindruck, weit entfernt von Bullerbü zu sein und auch Petterson und Findus scheinen nicht in dieser Gegend von Schweden zu wohnen. Ich gebe mich ja nicht einmal der vom schwedischen Touristenbüro geschaffenen Scheinwelt hin, ich habe ja schon an anderen Orten in Schweden diesem Idealbild nahe Idyllen kennengelernt. Meine Wahl fällt auf Ekolsund. Ein kleiner Ort am See gelegen. Meine Hoffnungen ruhen auf den kleinen Wegen die dort hinführen. Und ich werde nicht enttäuscht. Der Weg führt auf Schotterpisten durch Wälder, Wiesen und kleinere Häuseransammlungen. Immer wieder sehen wir Wild auf den Wiesen und auch ein Fuchs gab sich die Ehre. Die Elche ließen sich bitten. Weit und breit kein Elch. Die Fahrradtour war schön aber unspektakulär. Noch immer jage ich dem Schwedenbild hinterher. Es muss doch auch hier an der Ostküste existieren. Zumindest haben unsere Jacken den Nussgeruch angebrannter Sonnenblumenkerne abgegeben.
Montag, der 01.05.2023
Auch in Stockholm ist der 1. Mai der Tag der Arbeit und sonstiger Kundgebungen. Wir stolpern gleich in die erste Veranstaltung. Durchkreuzen die Stadt. Vorerst ziellos, finden uns in Gamla Stan wieder. Die Altstadt. Die Touristenmeile. Schnell weg. Aufpassen, Stockholm ist nicht Kopenhagen und ist nicht eine solche Fahrradstadt, hat aber viele gutausgebaute Fahrradwege. Die werden allerdings vornehmlich von E-Rollern und Mopeds mit Lebensmittellieferungen genutzt. Und das ziemlich schnell. Das kreuzen dieser Wege ist gefährlicher, als bei Rot über die Straße zu gehen. Wir umrunden großzügig die verschiedenen Hafenbecken, um zum Vasa Museum zu kommen. Die Vasa. Ein erklärtes Ziel von mir, diesen Reinfall der schwedischen Schiffbaugeschichte einmal in Natura zu sehen. Ein prunkvolles Kriegsschiff, dass aufgrund einer kleinen Fehlkonstruktion Im Jahr 1628 auf ihrer Jungfernfahrt nach nur wenigen Metern im Hafenbecken von Stockholm sank. Eigentlich sollte sie während des 30jährigen Krieges die Vormachtstellung der Schweden gegen die Polen ausbauen. Der Legende nach war das Schiff ursprünglich für nur ein Kanonendeck konzipiert worden. Der Legende nach verfügte König Gustav II, ein weiteres Kanonendeck aufzusetzen. Er hatte sich sagen lassen, dass der dänische König Christian IV gerade ein ähnlich großes Schiff bauen ließ. Den wollte man doch bitte übertreffen. Zudem versprach ein weiteres Kanonendeck ja auch mehr Feuerkraft. Das Resultat war ein veränderter Schwerpunkt, ein größerer Tiefgang und bei leichter Krängung im Wind, ein tiefes Eintauschen der unteren Kanonenöffnungen unter die Wasserlinie. Das ging dann ja auch gerade mal 1.300 Meter gut. Nach 333 Jahren wurde die Vasa wieder gehoben und ausgestellt. Das Schiff besteht zu 98 % aus original Teilen. Ein beeindruckendes Schiff. Ein tolles Museum.
Geschichte macht hungrig. Essen bei einem Italiener, wie man es in Schweden eben macht. Immerhin sitzen wir direkt an einem der kleinen Marktplätze. Warm und trocken. Nach einem letzten Espresso geht es weiter durch die Stadt der vielen Inseln. Wir treffen die nächste Kundgebung, deren Weg am Schloss vorbeiführt. Die Prozession gliedert sich in verschiedene Gruppen. Gefühlt protestiert jede Sektion für mehr Freiheit, Frieden und Solidarität im eigenen Land. Aufgrund der Sprachprobleme vermute ich das einfach mal. Aber sicher bin ich mir, dass alle zusammen für ein Ziel laufen. Es wirkte ein wenig wie der Einmarsch der Nationen bei den Olympischen Spielen. Nicht nur weil die chilenische, ukrainische und noch viele weitere mir nicht bekannte Fahnen geschwenkt wurden. Ich bekomme eine Gänsehaut. Die Stimmung ist absolut friedlich. Wir lassen uns durch die Stadt treiben. Große Bauwerke, viele von ihnen kleinen Palästen ähnlich. Eine tolle Stadt. Fühle mich manchmal an Paris erinnert. Überall auf dem Wasser liegen oder fahren die alten Fährschiffe und Ausflugsdampfer die die Schärengärten befahren. Die, die auf unzähligen Aquarellen in unserem kleinen Ferienhaus an den Wänden hängen. Ich erkenne sogar einige Namen der Schiffe wieder. Aufgrund des Wetters nehmen wir aber Abstand von einer Fahrt. Es wird immer mieser. Finde vier Plattenläden in einer Straße. Paradiesisch. Leider sind zwei wegen des Feiertags geschlossen. Dafür ist der eine der beiden geöffneten Läden eine wahre Fundgrube. Ein Chaos aus CDs, Büchern und reichlich Platten. Kaum ein Durchkommen. Es geht noch eine Etage tiefer. Ich werde schwach. Bin gleichzeitig völlig überfordert. Bräuchte mehr Zeit. Mein Sohn drängelt. Wir sind beide etwas erschöpft, der Laden schließt auch gleich. Zurück zu unserem Parkhaus, auch hier noch eine Veranstaltung im angrenzenden Park. Mit Bühne und Redner. Die Sozialisten haben geladen. Am Rande auf der anderen Straßenseite protestieren etwa 10 Vermummte mit kurzen Haarschnitten gegen die Sozialisten. Wenn da mal nicht einige Rechte zwischen sind. Es wirkt eher halbherzig. Recht so. Keine Macht den Rechten. Nach sechs Stunden zurück zum Haus. Der Regen hat sich jetzt dauerhaft festgesetzt.
Sonntag, der 30.04.2023
Unsere Jacken riechen nach gebrannten Nüssen. Der Motorraum hat doch mehr von dem angerösteten Meisenknödel ins Wageninnere gelassen als angenommen. Es gibt schlimmere Aromen. Der erste Gang zum See. Schweden ist in dieser Jahreszeit noch sehr grau, sehr kahl und tatsächlich genauso deprimierend wie in den nordischen Krimis dargestellt. Nicht einmal die Sonne kann dem Ganzen ein wenig Wärme geben. Der See liegt vor uns wie im Winterschlaf. Wenig einladend, dafür abweisend. Wie das kalte Grab unzähliger Toter aus den vielen Romanen schwedischer Krimiautoren. Der Blick vom Steg erklärt einige der eigentlich befremdlich scheinenden Phantasien in den Geschichten rund um perfide Mordgelüste und andere niedere Beweggründe. Man möchte noch nicht Baden gehen. Das Wasser wirkt als würde es einen nicht wieder rauslassen. Das Grün das da ist, tendiert ebenfalls zu einem matten Ton und passt sich der grauen Patina der Felsen an. Schweden im Winter, ist vermutlich wirklich nur mit Schnee zu ertragen. Umso mehr kann ich die schwedische Euphorie verstehen, sobald das erste Grün sprießt und ein langer Winter sich dem Ende nähert. Ich kann nachvollziehen, warum jeder der die Möglichkeit hat, seinen Jahresurlaub in die wenigen schwedischen Sommermonate legt, oder versucht, im Winter wenigstens einmal in den Süden auszubrechen.
Aber das Wetter ist gut, Zeit die Fahrräder zu satteln. Auf zum Skokloster Slott. Der Name beinhaltet gleich drei Dinge. Schloss, Kloster und Schuh. Nur in umgekehrter Reinfolge. Ich bin gespannt. Es gibt keine echte Fahrradroute. Wir müssen uns selbst einen Weg suchen. Der Weg führt uns durch Wohnsiedlungen in denen jederzeit der Roman `Ein Mann namens Ove´ spielen könnte. Schwedische Spießigkeit. Ein kurzer Schneeregenschauer begleitet uns. Kann uns aber nicht schrecken. Irgendwann müssen wir die Hauptstraße nehmen. Das ist auch nicht schön, aber was soll´s. Wir haben ja ein Ziel. Da wir hintereinanderfahren, fällt eine Vater-Sohn-Unterhaltung aus. Stoisch betrachte ich den Straßenrand. Zeit zum Nachdenken. Der Straßenrand ist genau wie in Deutschland mit ziemlich viel Müll dekoriert, der vermutlich Autofahrern versehentlich während der Fahrt aus den Seitenscheiben gefallen ist. Das passiert manchmal. Wie auch die großen Müllsäcke, die ich immer wieder an kleinen Haltebuchten oder einfach am Waldrand finde.
Zeit für ein Ranking. Die Top 5 der Grabenfunde. Platz 5: Zigarettenschachteln. Platz 4: Kaffeebecher mit Plastikdeckel. Platz 3: Bierdosen. Platz 2: Kleinere Dosen, ehemals gefüllt mit rotem Stier Gummibärchenextrakt und unangefochten auf dem ersten Platz: Die Verpackungsreste einer sehr bekannten Fastfoodkette. Das goldene M lacht mich alle 20 Meter an. Aber was sagt uns dieses Ranking? Zuerst kann man feststellen, dass sämtliche Produkte im Graben schlecht verpackt sind und viele aus nicht abbaubaren Verbundstoffen bestehen. Ferner muss man feststellen, dass alle Produkte nicht unbedingt in dem Ruf stehen, besonders förderlich für die Gesundheit zu sein. Da sich das Ranking auch auf deutsche Straßenränder übertragen lässt, bestätigt das die PISA-Studie von 2018, nach der die schwedische Bildung auf dem gleichen mittelmäßigen Niveau arbeitet wie in Deutschland. Wir sind uns doch sehr ähnlich. Ferner lässt sich aus den Fundstücken schließen, dass alle Konsumenten keinen gesteigerten Wert auf die eigene Gesundheit legen. Erhebungen besagen, dass Veganer und Vegetarier im Durchschnitt einen höheren IQ als Fleischesser pflegen und mehr auf die Gesundheit und Umwelt achten. Das bestätigt, warum ich nicht eine leere Tofu-Verpackung auf der Fahrt gefunden habe. Wie sich der IQ proportional zu dem Konsum der Top 5 verhält, ist leider noch unbekannt.
Wir erreichen unser Ziel nach etwa 30 Kilometern. Schönes Schloss mit geöffnetem Café. Ich scheitere bei der Bestellung wie immer an meinen desolaten Englischkenntnissen. Aber der Kuchen ist gut und wir sitzen in der Sonne im Schlossgarten mit Blick über den angrenzenden See. Einen Steinwurf entfernt liegt das angekündigte Kloster. Eine seltsame Symbiose. Kloster stehen nicht in dem Ruf besonders feudal zu sein und gleich nebenan liegt der Luxus. Der Blick aus dem Kloster zum Barockschloss muss doppelt wehgetan haben. Aber Mönche sind ja verzichtserprobt. Damit haben wir zumindest `Kloster´ und `Schloss´ geklärt. Da wir uns mit der Geschichte und dem Inhalt der beiden Gebäude nicht eingehender beschäftigt haben und uns kein Hinweis auf einen Zusammenhang mit Schuhen aufgefallen ist, bleibt der `Schuh´ ungeklärt.
Die Rückfahrt zieht sich. Lahme Beine tragen uns am Ende zurück in unser Zuhause.
Samstag, der 29.04.2023
Es begann mit einem unentspannten Weckton. Direkt unter meinem Bett. Es war der durchdringende und wenig harmonische Klang eines Handys. Handys pflegen eher einen schlichten Tonfall. Mehr gibt der kleine Lautsprecher einfach nicht her. Aber was soll´s, Hauptsache ich bin wach und das Gerät hat seinen Dienst getan. Es ist 6 Uhr am Morgen. Samstag der 29.04. Schweden ruft. Mein Sohn und ich wollen heute nach Schweden. Eine unerwartete Reise. Bis vor 3 Wochen ahnte ich noch nichts von dieser sehr spontanen Reise. Dazu später mehr. Schnell aus dem Bett gerollt. Der Kaffee ist schon gekocht. Meine Frau ist vor mir aufgestanden. Großartig. Viertel nach Sieben sind wir auf der Autobahn. Vorher noch den Meisenknödel aus dem Motorraum notdürftig entfernt. Ein Eichhörnchen hat sich den auf dem Motorblock einverleibt. Leider nur halb. Der Rest klebt mit ordentlich Talg auf dem Motorblock. Es riecht nach gerösteten Nüssen. Lässt sich jetzt nicht ändern, wir müssen los. Habe unserem Vermieter unsere Ankunft für 18.30 angekündigt. Vor uns liegen 1.100 Kilometer. Wir müssen uns ranhalten, wenn wir die Zeit halten wollen. Wir meiden die Fähre. Der Landweg führt uns über Flensburg, Middelfart, Fünen, Seeland, den Øresund, an Malmö vorbei (die Stadt würde man übersehen, gäbe es nicht den gewundenen Turm, der aus der Erde wächst. Ein Bürohaus, die höchste Erhebung weit und breit, nach der Øresundbrücke natürlich), bis nach Stockholm. Bevor wir Stockholm erreichen, vergeht viel Zeit. Der Weg ist weit. Zeit für eine kurze Erklärung. Mein Sohn hat mich nach Schweden eingeladen, nachdem ein Kumpel von ihm, der eigentlich mit wollte, abgesprungen ist. Mein Glück. Da bin ich gerne Lückenbüßer.
Die Stadt empfängt uns genauso wenig einladend wie das Wetter. Es regnet und es sieht nach einer Stadt im Ostblock aus. Triste Platte vor dunkel grauen Wolken. Die Pastellfarben der Häuser können nichts retten. Es ist nicht die beste Einladung, einmal Stockholm zu besuchen. Aber welche Stadt präsentiert sich bei der Einfahrt mit seinen Randbezirken schon so charmant, dass man mehr von ihr sehen möchte. Hamburg genauso wenig wie jetzt in diesem Moment Stockholm. Wir umfahren Stockholm über die Stadtautobahn. Die Stadt ist größer als erwartet. Wir müssen noch um den angrenzenden See. Råby heißt unser Ziel. Unser neues Zuhause für die nächsten Tage liegt auf dem Grundstück des Vermieters. Ein zitronengelber Ford Escort steht mit platten Reifen in der Einfahrt. Der Escort ist ein Cabrio. Er war schon in seiner Jugend ein Proll. Er wirft auf jeden Fall ein seltsames Licht auf unsere zukünftigen Vermieter. Die Vermieter sind wider Erwarten ein älteres Ehepaar. Total nett und irgendwie typisch schwedisch. Zumindest trägt er die typisch schwedischen Gesichtszüge. Rundes Gesicht unter blonden Haaren mit roten Bäckchen. Freundliche Augen, die einen genauso unsicher begrüßen wie man sich gerade selbst fühlt, wenn man bei jemandem fremden an der Tür klingelt. Smalltalk in einem Gemisch aus Englisch, Schwedisch und Deutsch. Ich muss mein Englisch überdenken. Miserabel. Auf der Terrasse unseres kleinen Hauses wurde für uns die Deutschlandfahne gehisst. War wohl nett gemeint. Ein kurzer Rundgang durchs Haus, es ist alles Relevante schnell geklärt. Tür geschlossen, mein Sohn und ich sind alleine. Mit einer ganzen Menge … Kram. Das Interieur besteht aus einer Mischung aus billigem Depot Kitsch und durchaus hochwertigerem Kitsch. Dekor- und Sammelteller über allen Türen in Zehnerreihen. Kupferkannen und Kessel, schwedische Tonfiguren und überall Lampen. Im Wohnzimmer zähle ich 21 verschiedene Lichtquellen. 21 Möglichkeiten Licht zu machen, mit noch mehr zusätzlichen Möglichkeiten dieses zu dimmen, ihm andere Farben zu geben oder sonstiges weiteres damit anzustellen. Erstaunlich, da das Wohnzimmer lediglich über eine Wohnfläche von max. 18 qm verfügt. Eine außergewöhnliche Dichte an Beleuchtung. Entsprechend viele Steckdosen und noch mehr Verteilerdosen gibt es. Leider sind alle belegt, so dass ich erst in der Küche eine freie Steckdose finde, um meinen Laptop zu laden. In den Küchenschränken spiegelt sich das Gesamtbild wider. Viele Dinge, die keinen Platz für unsere Sachen lassen. Unsere wenigen Lebensmittel die wir eingepackt haben, bleiben in unserer Klappkiste und stehen unentwegt im Weg. Erstaunlicherweise wirkt das Haus trotzdem nicht wirklich überladen. Es ist eigentlich gemütlich und wirklich liebevoll eingerichtet. Nur eben etwas voll. Dafür gibt es in jeder ruhigen Minute etwas Neues im Haus zu entdecken. Nicht alle Gegenstände passen zu einander. Da gibt es den weißen Porzellan Blumenübertopf in Form der ägyptischen Sphinx, neben einer Laterne mit angelehntem Charlie Chaplin und im Hintergrund die sich fast berührenden Hände aus Michel Angelos Bild der Erschaffung Adams aus der sixtinischen Kapelle. Und dazwischen immer wieder typische schwedische Goodies wie Fähnchen, rote Pferde, und Aquarelle voll Nostalgie sprühender Fähr- und Vergnügungsdampferszenen auf den großen schwedischen Seen. Viele Eindrücke am ersten Tag. Das reicht für gute schwedische Träume. Gute Nacht.